Warum Kommunalpolitiker in der Weltpolitik mitmischen? Gute Frage im Lokalteil des Freien Wort vom Samstag. Nicht so die Antwort.

Ina Leukefeld

DIE LINKE hatte vor mehr als einem Jahr, nämlich am 11.2. 2015(!), den nun mit Mehrheit im Stadtrat beschlossen Antrag eingebracht. Wir wollten uns mit dem Thema und den möglichen Auswirkungen rechtzeitig beschäftigen und nicht erst die Resultate zur Kenntnis nehmen, wenn die Messe gelesen ist. Während DIE LINKE. dieses Freihandelsabkommen aus mehreren Gründen verhindern bzw. nachbessern wollen, ist die CDU natürlich dafür. Sie benennt in Gestalt von Mark Hauptmann auch gleich den Grund, nämlich die kapitalismusfeindliche und antiamerikanistische Haltung der Linken. Was für ein Populismus!

Dass die IHK als Sprachrohr  und Interessenvertreter der Wirtschaft gleich Ängste hinsichtlich der Entwicklung der deutschen Exportwirtschaft zum Ausdruck bringt, ist geschenkt. Nichts anderes war zu erwarten, aber es geht um mehr.

Nein, wir wollen nicht Globalisierung und faires Wirtschaften in der Welt verhindern, aber es geht um die Gestaltung dieses Prozesses. Deshalb ist die Frage nach den Auswirkungen sehr entscheidend. Währen ich diesen Artikel schreibe, demonstrieren in Hannover Zehntausende Menschen gegen dieses Freihandelsabkommen.  Aufgerufen zu der Kundgebung unter dem Motto "TTIP & Ceta stoppen" hat ein Bündnis aus Umwelt- und Verbraucherschützern, Gewerkschaften und Sozialverbänden. Anlass des Protests ist der geplante Besuch von US-Präsident Barack Obama in Hannover. Auch Thüringer/innen sind mit Bussen hingefahren.

TTIP- also das Transatlantic-Trade-and-Investment-Partnership-Abkommen, ist kein klassisches Freihandelsabkommen. Es geht nicht um die Abschaffung von Zöllen und Handelsschranken, weil es die zwischen Europa und den USA kaum noch gibt. Ziel ist vielmehr der Abbau von so genannten „nicht-tarifären Handelshemmnissen“. Es geht dabei auch nicht nur um das Chlorhuhn, was schon schlimm genug wäre, sondern es geht darum, dass Investitionshemmnisse verboten werden sollen. Übersetzt heißt das: Wenn ein amerikanisches Unternehmen hier seine Wirtschaftstätigkeit beginnt und später eine Regierung kommt, die z.B. mehr Mitbestimmung zulässt, mehr Wirtschaftsdemokratie, vielleicht sogar etwas höhere Steuern, dann können die Amerikaner sagen: Investitionshemmnis! Auch als Handelshemmnis können die Vertragspartner alles definieren: Verbraucherschutz, Kennzeichnungspflicht, Datenschutz, Arbeitnehmerrechte.

Zu den genannten Risiken aus kommunaler Sicht, die selbst der Gemeinde- und Städtebund in einem Papier kritisch dargelegt hat, gehört die Frage, ob aus einem solchen Abkommen eine Pflicht zur Privatisierung von kommunalen Dienstleistungen hergeleitet werden könnte,  z. B. bei  Wasserversorgung, bei Gesundheit und im Bildungs- und Sozialsektor.                     

Die Vertragsverhandlungen fanden bisher fast ohne Transparenz und offene Debatte statt. Mit Kopfschütteln haben wir zur Kenntnis nehmen dürfen, dass Bundestagsabgeordnete in einem abgeschlossenen Raum, ohne Laptop, ohne Handy, ohne etwas notieren zu dürfen, in die Unterlagen einsehen konnten. Und selbst diese Einsichtnahme war ursprünglich so nicht vorgesehen, „sondern wurde scheibchenweise erkämpft“, sagt selbst der MDR.

Richtig gefährlich wird TTIP, wenn es erst einmal in Kraft ist. US-Konzerne können dann europäische Staaten verklagen, wenn deren Gesetze ihre Gewinne schmälern. Die Urteile fällen keine Richter, sondern von den Konzernen selbst ausgewählte Wirtschaftsanwälte. Schon die Drohung solcher Klagen kann reichen, um unliebsame Gesetze aus der Welt zu schaffen. Die verhängten Schadensersatzzahlungen könnten Staaten in den Ruin treiben, Kommunen erst recht.

Herr Hauptmann will uns nun Glauben machen, das sei alles vom Tisch. Schön wär’s. Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

Und selbst in den USA wächst Widerstand Der linksliberale Bernie Sanders macht die Billigimporte aus Übersee für "den Kollaps der amerikanischen Mittelklasse und die wachsende Ungleichheit" verantwortlich. Und sogar die gemäßigte demokratische Favoritin Hillary Clinton sieht die Entwicklung kritisch. Die derzeitige Handelspolitik berücksichtige die Interessen der normalen Bürger nicht genug, mahnt sie.

In Deutschland ist die Zustimmung zu TTIP lt. Bertelsmann-Stiftung von 55% in 2014 auf 17 % in 2016 abgesunken, in den USA im gleichen Zeitraum von 53 % auf 15 %. Wir sind in Suhl also gut dabei, die warnende Stimme rechtzeitig zu erheben. Nichts anderes hat der Stadtrat getan.